Die Erde ist unsere Zeugin

Everyone’s Ground
(Die Erde ist unsere Zeugin)

Filmdokumentation der Humus-Installation am 12. Mai 2021 auf dem Münchner Odeonsplatz

Trailer zum Film
„Everyone’s Ground (Die Erde ist unsere Zeugin)“

Format HD1080, 13:20 min. / Schnitt und Ton: Frank Fischer, Gabriele Frosch /
Fotografie: Maresa Bucher, Jean-Marie Bottequin, Horst Esser, Frank Fischer, Gabriele Frosch, Bettina Lindenberg, Susanne Kohler, Thomas Wobido / Interviews von Gabriele Frosch mit: Claudia Döring, Tom Gerhardts, Alexander Goz, Bernd Michaelis, Tobias Sachtleben, Monika Sachtleben, Sinan von Stietencron


Film und Gespräch

Anfragen für Live-Verführungen mit Gepräch richten Sie bitte direkt an Frank Fischer.

„Die Erde ist unsere Zeugin“, Humboldthaus Achberg, 3.2.2023 / Foto: Frank Fischer

Eine Einführung in das Thema und die Filmvorführung dauern 20 bis 30 min. Im anschließenden Gespräch beantworte ich Fragen zur Durchführung der Aktion und eröffne einen Austausch über Themen wie:

  • Erfahrungsberichte der Teilnehmenden
  • Notwendigkeit und Wirkung von Klimakunst, wie wERDschätzung
  • Ökologische Plastik als Erweiterung der Sozialen Plastik

Aufführungen, Beispiele:

  • Premiere, Weilheim (2020)
  • Stadluni, Unterbergen (2022)
  • Katholische Landvolkshochschule, Wieser Zukunftsforum, Steingaden (2023)
  • Internationales Kulturzentrum, Achberg,“Kreisläufe” (2023)
  • Kreßberg, Schloss Tempelhof (2023)
    Weihenstephan-Trisdorf, Hochschule (2023)

Frank Fischer – Meine Geschichte zur Entstehung der Aktion auf dem Odeonsplpatz

Wer die Erde wertschätzt,
geht mit ihr achtsam um

Selbst durch die Sohlen meiner Gummistiefel spürte ich die Wärme, während über mir der Regen herunterprasselte an diesem viel zu kalten Mai-Tag in München. Unter meinen Füßen strahlte die Energie von sechs Kubikmeter gesunder Komposterde so stark, dass es geradezu dampfte am Odeonsplatz. „Endlich, unglaublich, unfassbar“ dachte ich mir und realisierte in diesem Moment, dass aus meiner kühnen Vision tatsächlich Realität geworden ist. Als nächstes sollte jetzt an dieser Stelle mein persönliches Bereiten des Humushaufens stattfinden – und da fiel mir plötzlich ein, dass dies der einzige Teil meines öffentlichen Kunstwerkes ist, über den ich mir keine Gedanken gemacht hatte. Ansonsten war alles säuberlich geplant, alle Rollen verteilt, nur mein persönlicher performativer Part nicht: Für eine Millisekunde fühlte sich das wie ein Blackout mitten im Rampenlicht der Öffentlichkeit an. Dieser unangenehme Moment voller Unwissenheit auf dem Humushaufen am 12. Mai 2021 drehte sich allerdings sehr schnell vom Black-out zu einer Art Light-In …

Der abgeladene Humus wartet darauf, von mir bearbeitet und arrangiert zu werden. (Foto: Gabriele Frosch)

Neun Monate zuvor – im dem Sommer 2020 – saß ich mit Claudia auf ihrer Dachterrasse in Schwabing und wir plauderten über den im kommenden Jahr anstehenden hundertsten Geburtstag von Joseph Beuys in Verbindung mit wERDschätzung. Die gemeinschaftliche Kunstaktion hatte ich 2017 im Geiste der Sozialen Plastik entwickelt. Claudia ist eingeschworener Fan von „wERDschätzung“ und forderte von mir Mut zu mehr Größe und Sichtbarkeit. „Wie wäre es mit einer wERDschätzungs-Installation im Haus der Kunst?“ In mir ratterten die Ideen. Am 12. Mai mit wERDschätzung eine öffentliche Aktion zu Ehren von Joseph Beuys – das ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Dass Humus dabei eine zentrale Rolle spielen sollte als eine Art Brücke zwischen Mensch und Natur, wurde immer klarer in meiner Vorstellung. Humus als kraftvolles Material, um die Idee von wERDschätzung in die Stadt zu bringen: Die Beziehung zwischen Mensch und Erde wieder herzustellen als zentrales Thema für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft.

Nach Gesprächen mit dem Haus der Kunst und Überlegungen, die Aktion nah am angrenzenden Englischem Garten durchzuführen, wurde mir klar: Eine Installation mit dem Naturmaterial Humus braucht zwingend den Kontrast zur strengen Stadtarchitektur. Da kam mir sofort der Odeonsplatz als zentraler Münchner Kraftort in den Sinn. Dort führte ich vor einem Jahr zusammen mit Gabi und einem 8köpfigen Team den „wertschätzenden Flashmob mit Eye-Contact“ durch und erlebte dessen spezielle kraftvolle Energie als urbanem Raum für Begegnungen in Aktion.

„wERDschätzender Flashmob mit Eye-Contact“ auf dem Odeonsplatz in München, 2019 (Foto: Claudia Bergstein)

„Mit ‚wERDschätzung – ein gemeinschaftliches Kunstprojekt für die Erde‘ verfolgt Multimedia-Künstler Freifrank einen Ansatz, der spontan an Joseph Beuys und sein Konzept der Sozialen Plastik erinnert“ Leopold Ploner

„Ich finde es unglaublich angemessen in so einer Großstadt so eine Humus-wERDschätzung zu machen – noch dazu im Kontext von Joseph Beuys“ Tobias Sachtleben

Ein Berg Humus mitten in der klassizistischen Ornamentik des Münchner Odeonsplatzes? JA! Absolut! Nach ersten Bleistiftskizzen und einer Vor-Ort-Sichtung visualisierte ich am Computer weiter und ein rasch gebautes Foto-Composing als erstes Visual entstand. Da wurde mir klar, was das für eine Energie hat. Als sich eine neue Corona-Welle ankündigte, tätigte ich eine Voranfrage (tatsächlich noch frei?!) und anschließend die vorsorgliche Reservierung. Das war Ende 2020 und es verblieben fünf Monate, um eine Installation, wie es sie noch nicht gab, von Null auf zu entwickeln und zu planen, ein Team zu bilden und nach Fördergeldern Ausschau zu halten. Die unzähligen Telefonate mit Freund’*innen, Kolleg*Innen, Umweltaktivisten, Institutionen, Stiftungen und sonstigen möglichen potentiellen Unterstützern halfen mir, meine Vision immer besser kennen zu lernen. Die inneren Bilder der „Humus-Aktion auf dem Odeonsplatz“ wurden zunehmend deutlicher und was im Nebel lag, klärte sich in meinen nächtlichen und Traumsequenzen, die manchmal wirkten als kämen sie direkt aus der Zukunft. Die Zahl der freiwilligen Helfer, Unterstützer und Aktiven wuchs und in Online-Meetings stimmten wir uns immer feiner ab. Inzwischen hatte ich für mich beschlossen, die ganze Sache einfach durchzuziehen, ganz egal, ob das Budget ausreichend ist oder nicht.

Im Zuge neuer Corona-Maßnahmen kamen die Auflagen des Gesundheitsamtes, Diskussionen mit dem Bezirksausschuss und diverse maßnahmenbedingte Absagen. Mit einer Mischung aus Sturheit und Joker-Energie schlängelte ich die Kunstaktion weiter durchs Behörden-Gewirr. Die letztendiche Ausgestaltung entstand als Folge der Corona-Auflagen mit zwingender Einhaltung des Abstandes von 1,5m für alle Besucher*innen: Um keine Barrikaden um das Kunstwerk errichten zu müssen, integrierte ich sie in das Kunstwerkes und entwickelte die roten Laufstege innerhalb des gelb markierten Kreises von 13m Durchmesser. Die markante sternförmige Anordnung der acht knallroten Teppiche fügte sich stilbildend in die Gesamt-Installation. Gerade als Irene und ich den speziellen Rahmen mit dem Beuys-Etikett anfertigten, trudelte die Genehmigung des Gesundheitsamtes für das Hygienekonzept per E-Mail ein. Wohlgemerkt zu einer Zeit, als es in Münchens Kunst- und Ausstellungsszene täglich Absagen hagelte und in der Innenstadt zeitweise Maskenpflicht und Alkoholverbot herrschten. Die Signale für wERDschätzung standen auf grün und weitere Zusagen von Unterstützern folgten. Als zwei Tage vor der Aktion klar wurde, wie das Wetter wird – naß, kalt und Regen! – schlug ich dem Team vorsichtig vor zu verschieben und erhielt als Antwort: „Für uns gibt es kein schlechtes Wetter, nur unzureichende Kleidung.“

Die Humus-Aktion vom 12. Mai 2021 (Foto: Thomas Wobido)

Mein persönliches Light-In am 12. Mai um 12:00 Uhr auf dem Humus äußerte sich so: „OK, du hast gerade keine konkrete Vorstellung, wie du diesen Humus passend arrangierst und initiierst. Tu einfach das, warum es hier geht. Öffne deine Wahrnehmung, schärfe deine Sinne, lausche dem Humus und der Erde und lass dich von ihr führen.“ Von da an war ich wie geführt und arrangierte den Humushaufen mit Armen, Beinen und meinem ganzen Körper zu diesem kraftvollen Etwas, dass sich den Besuchern wie ein lebendiges Wesen darbot. Dann lief alles besser als geplant oder gedacht. Das Team agierte in einer so selbstverständlichen und tragenden Präsenz im harmonischen Zusammenspiel aus Hüter*innen, Fotograf*innen und Live-Interviews, dass alles wie einstudiert wirkte. Das Regenplätschern korrespondierte mit dem Kirchengeläut der Theatinerkirche und Menschen verbanden sich mit dem Humus. Die kalten Temperaturen rückten zusätzlich noch das kollektive Erleben dieses besonderen Wärmefeldes in den Vordergrund. Es lag eine Magie über dem Szenario auf dem Odeonsplatz.

Links:

Weitere Info und Fotos zur Odeonsplatz-Aktion

Vimeo-Portal zu wERDschätzung

„Danke für dieses großartige Erlebnis, Teil der Erde zu sein zu können, wo auf diesem Platz das Kirchengeläut jeden Knochen vibrieren lässt, in der Wärme des Humus, eingesunken in einem vertrauten Glücksteppich, danke danke“ Claudia Döring